Am 8. Dezember 1908, anlässlich des sechzigsten Regierungsjubiläums von Kaiser Franz Joseph war Feststimmung in ganz Stockerau angesagt. Mitten darunter Rosa Schramml, Balthasar Wildschek und Poidl Jösch. Jeder schreibt über die Feierlichkeiten auf seine Art an die Freundin:

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„Liebe Serafina! Es tut mir so leid, dass Du so lange warten mußtest, aber ich komme erst jetzt dazu, Dir zu schreiben. Unser Gasthäusl platzt aus allen Nähten. Du kannst Dir nicht vorstellen, wie in Stockerau gefeiert wird. Der Vatter kann gar nicht so viele Stelzen daherschleppen, wie die Stockerauer essen! Mama und ich kommen aus der Küche nicht mehr heraus. Das Kaiserjubiläum habe ich nicht wirklich mitbekommen und die schöne Beleuchtung der Stadt auch nicht. Stattdessen habe ich Reste von Kraut und Knödel von den Tellern gewaschen. Wie gern wär ich bei Dir, beste Freundin! Deine Rosa“

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„Meine allerbeste und liebste Serafina! Angebetete in der Ferne! Gar zu ereignisreich und lebensfroh waren die letzten Tage. Die Jubelfeiern zum sechzigsten Regierungsjubiläum unseres Kaisers haben nicht nur mein Herz in Aufruhr versetzt, nein, die ganze Stadt feierte mit Hingabe. Die Häuser waren beflaggt und aufs Festlichste illuminiert. Da standen wir der Hauptstadt Wien in nichts nach! Ich ritt beim Ulanenregiment in erster Reihe und erwies so meinen Respekt. Hättet Ihr mich nur auf meinem Wallachen sehen können, mein Herz. So stolz wärt Ihr gewesen! Ich kann Ihre Rückkehr kaum erwarten, hoffe, dass Ihr ähnlich freudig gestimmt seid wie ich und sende Ihnen, um Ihre Sehnsucht weiter zu entfachen ein Konterfei von mit. Ihr, Sie liebender und verehrender, Baltasar“

balthasar

Bei Ihrer nächsten Station, in Amsterdam, findet Serafina bereits eine Nachricht von Poidl vor:

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„Halo Fini! Mir is so schlecht vom vilen Bier. Aber so lustik wars. Schad, das ned gsehn hast, wir der Rudi über die Fahne stolberd is und sich die Papn aufghaut hot. So lustig….Dein Poidl“

Aber was war wirklich los im Dezember 1908?

„Jubiläumsfeier. Für den 2. Dezember hatte die ganze Stadt bereits am Vortage festlich beflaggt; die Geschäftslokale wurden um 5 Uhr schon gesperrt. Ein großer Teil der Bevölkerung benützte die Gelegenheit, nach Wien zu fahren, um die Illumination zu besichtigen; ein Teil illuminierte hier die Häuser, obwohl eine Aufforderung hiezu nicht ergangen war. In den Abendstunden zog ein Teil des 7. Uhlanen Regimentes zu Pferd mit brennenden Fackeln unter Trompetenblasen durch die Stadt. Am Morgen dcS 2. um 6 Uhr gab der Veteranenverein mit seiner neuen Kanone Salutschüsse ab. Um Uhr hielt der Gemeindeausschuß, eine Festsitzung ab. in welcher Herr Bürgermeister Weineck einen historischen Rückblick auf die letzten 60 Jahre gab und seine Rede mit einem Hoch auf den Kaiser schloß; darauf begab sich die Gemeindevertretung korporativ in die Pfarrkirche zum Festgottesdienst. Die Schulen hielten an diesem Tage ebenfalls Festfeiern ab.“

(Quelle: ANNO, Österreichische Landzeitung, 8.Dezember 1908)

 

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